Matthias Kirschnereit
»Ein Ausdrucksmusiker par excellence, der mit seinem Klavierspiel die spezifisch deutsche Klavierkunst fortsetzt«. So hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Pianisten Matthias Kirschnereit einmal charakterisiert und damit die zahlreichen Facetten zusammengefasst, die Kirschnereits Spiel kennzeichnen. Es ist vor allem die „innere Notwendigkeit“, die Matthias Kirschnereits Interpretationen auszeichnet und Kritiker regelmäßig zu Lobeshymnen hinreißt.
Seit Jahrzehnten ist Kirschnereit, Jahrgang 1962, auf den Bühnen Deutschlands, Europas, Amerikas und Ostasiens präsent. Er konzertiert weltweit mit führenden Klangkörpern wie dem Tonhalle Orchester Zürich, New City Philharmonic Orchestra Tokyo, Het Residentie Orkest Den Haag, den St. Petersburger Philharmonikern, Orquesta Filarmónica de Gran Canaria, dem SWR Symphonieorchester Stuttgart, dem hr-Sinfonieorchester, den Bamberger Symphonikern, der NDR Radiophilharmonie, der Camerata Salzburg sowie dem Münchener Kammerorchester. Matthias Kirschnereit arbeitete dabei mit den Dirigenten Hartmut Haenchen, Marcus Bosch, Christopher Hogwood, Andrew Manze, Sándor Végh, Michael Sanderling, Frank Beermann, Alexander Liebreich, Ariane Matiakh, Yuri Temirkanov und Alondra de la Parra zusammen.
Fast 40 Aufnahmen dokumentieren sein Schaffen, von der frühen Preisträger-CD des Deutschen Musikwettbewerbs im Jahr 1989, über die Gesamteinspielung sämtlicher Klavierkonzerte von Mozart zusammen mit den Bamberger Symphonikern und dem 2019 erschienenen Album »Concertant« mit sämtlichen Werken für Klavier und Orchester von Robert Schumann (zusammen mit dem Konzerthausorchester Berlin unter Jan Willem de Vriend) bis zur neusten Einspielung 2022: Die Gesamtaufnahme der selten gespielten Haydn Klavierkonzerte mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn (play&lead).
Schubert und Mendelssohn, Schumann und Brahms sind die Fixsterne an Kirschnereits Klavierhimmel. Genauso widmet er sich Werken von Mozart, Chopin oder Rachmaninow. Aber auf seinen bemerkenswert zahlreichen Gesamteinspielungen findet sich auch Unbekanntes bekannter Komponisten, etwa das rekonstruierte e-Moll-Klavierkonzert von Mendelssohn, für das er 2009 einen ECHO Klassik bekam. Händels sämtliche Orgelkonzerte hat er in eigenen Arrangements für Klavier aufgenommen. Die zum Beethovenjubiläum 2020 entstandene CD »Beethoven unknown« beinhaltet unbekannte Juwelen des Komponisten und stieg sogleich in die Top Ten der deutschen Klassik Charts ein. 2021 spielte er das Klavierkonzert Nr. von Hummel zusammen mit Konzertstücken von Weber und Mendelssohn ein (Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt, Michael Sanderling).
Zu seinen Kammermusikpartnern zählen die Geiger Christian Tetzlaff, Lena Neudauer und Daniel Hope, der Hornist Felix Klieser, die Klarinettistin Sharon Kam, die Cellisten Julian Steckel, Daniel Müller-Schott, das Minguet Quartett, das Aris Quartett und das Amaryllis Quartett.
Matthias Kirschnereit hat keine Wunderkindlaufbahn absolviert, im Gegenteil: Er ist, wie er es ausdrückt, »auf den allerletzten Zug für eine Pianistenkarriere aufgesprungen«. Zwischen dem neunten und vierzehnten Lebensjahr, in einem Alter, in dem andere bereits erste Wettbewerbserfahrungen sammeln, lebte er mit seinen Eltern in Namibia fernab der Ausbildungsmöglichkeiten, die es für den
Pianistenberuf braucht. 1976 ging er ohne die Eltern nach Deutschland zurück und wurde Jungstudent bei Renate Kretschmar-Fischer an der Musikhochschule Detmold.
Längst gibt er seine Erfahrungen und Überzeugungen als Professor an der Hochschule für Musik und Theater Rostock an die nächste Musikergeneration weiter. Kirschnereit engagiert sich leidenschaftlich für die Initiativen »Rhapsody in School« und das Kulturprojekt TONALi. Und mit dem handverlesenen Programm seiner »Gezeitenkonzerte« lockt er seit 2012 ein stetig wachsendes Publikum zu diesem »Festival unter Freunden«, wie Kirschnereit es nennt.
Foto © Maike Helbig