Verdi Requiem
6. Symphoniekonzert
Beschreibung
Giuseppe Verdi
Messa da Requiem
Private Entscheidungen, untrennbar verknüpft mit Auswirkungen von staatspolitischer Tragweite – das ist eine Formel, die auf der Theaterbühne häufig als dramaturgische Keimzelle zu verspüren ist. Namentlich in den Opern Giuseppe Verdis (etwa Aida) erscheint dieses Motiv geradezu schicksalhaft, wie herausgemeißelt. Etwas variiert könnte die Chiffre auch lauten: das Erhabene mit dem Trivialen und das Vernünftige mit dem Verrücken zu vermischen, weil dies die große wie die kleine Welt beherrsche. So jedenfalls beschrieb ein gewisser Alessandro Manzoni seine Aufgabenstellung als Dichter. Geboren 1785, war er durch seinen Roman I promessi sposi (Die Verlobten) um 1826 zu einer der Schlüsselfiguren des italienischen Risorgimento geworden, jener Einigungsbewegung, die die italienische Halbinsel die nächsten fünf Jahrzehnte lang umtrieb. Giuseppe Verdi war ein glühender Verfechter dieser politischen Richtung und spielte in seinen Bühnenwerken immer wieder darauf an. Kein Wunder, dass er Manzoni verehrte, und als der am 22. Mai 1873 starb, griff Verdi eine Kompositionsidee wieder auf, die er fünf Jahre zuvor anlässlich Gioacchino Rossinis Tod erstmals hatte: eine gewaltige Totenmesse zu Ehren des Verstorbenen zu schreiben. Sollten seinerzeit alle wichtigen Komponisten Italiens ihren Teil zu einem gemeinsamen Requiem liefern (was auch geschah; die Aufführung war allerdings in letzter Sekunde gescheitert), so nahm er nun seinen eigenen Beitrag, das Libera me, als »Keimzelle« und schrieb drum herum eine komplett eigene Komposition, die zu Ehren Manzonis am ersten Jahrestag von dessen Tod aufgeführt wurde. Chronologisch zwischen Aida und Otello einzuordnen, seinen vorletzten und damit reifsten Bühnenwerken, atmet Verdis Messa da Requiem in jedem Takt deren Leidenschaft – ganz, als ob er den Requiemstext nicht nur als Aneinanderreihung von Gebeten, sondern als ein überaus dramatisches Libretto gelesen hätte.